Kurzer geschichtlicher Abschnitt über die Geschichte Rüthens und des Geschlechts Helle.

Hoch oben auf dem Höhenzuge des Haarstranges wurde die Stadt im Jahre 1200 vom Erzbischof Adolf I. von Köln gegründet und stark bewehrt als Feste gegen seine Gegner den Bischof von Paderborn und den Grafen von Arnsberg. Den Namen bekam die neue Stadt von dem dicht dabei im Tale gelegenen Orte Rüden, der seitdem Altenrüden, später Altenrüthen genannt wurde. Als Wappen führt die Stadt das schwarze Kurkölnische Kreuz im silbernen Schilde, die Winkel und die Kreuzesmitte belegt mit je einer roten Raute, in missverstandener Ableitung des Namens. Die Stadt liegt an der Bahnstrecke Soest-Brilon, heißt neuerdings postalisch "Rüthen (Möhne)" und hat rund 2300 Einwohner, die hauptsächlich den Ackerbau betreiben. -

Die alten Befestigungswerke, Wall, Graben und Stadtmauer, mit wehrhaften Toren und Türmen versehen, führen auch heute noch um Rüthen herum, als stumme aber eindringliche Zeugen aus vergangenen Jahrhunderten. Der epheu-umrankte Hexenturm, in dem noch 1735 die letzte Folterung vollzogen wurde, erinnert an die Zeiten des Hexenwahns, in dem sich gerade Rüthen, neben Geseke und Lemgo besonders hervortat, sodaß der Stadtscharfrichter Jahre lang stark beschäftigt war. Außer den zahlreichen Hexenprotokollen im Stadtarchiv geht schon aus den häufigen Wendungen in den Kämmerei-Rechnungen "das richtschwert schmiren lassen" "das richtschwert zu poliren geben 6 stüber" hervor, daß "Meister" Asmus nur zu oft seines Amtes walten mußte. -

Von den beiden Kirchen der Stadt wird der Pfarrer der älteren, St. Johannes, schon 1231, die Nikolauskirche erstmalig 1322 urkundlich erwähnt. Die Burg, das "castrum Ruden", auf der 1220 Erzbischof Engelbert, der Heilige, 2 datierte Urkunden ausstellt und deren ehemalige Bedeutung aus den zahlreichen angesehenen Burgmannsgeschlechtern hervorgeht, verliert ihren strategischen Wert, nach dem 1368 die Grafschaft Arnsberg in den Besitz des Kölner Erzbischofs überging, und wird dem allmähligen Verfall überlassen. Die Wehrhaftigkeit der Stadt hat dazu beigetragen, dass sie trotz ihrer geringen Einwohnerzahl, auch als geachtete Hansestadt eine gewisse Rolle spielte. -

Von unruhigen Zeiten, die an Rüthen nicht spurlos vorüber gingen, seien kleinere Raubzüge, der Jahre 1377 und 1410, die Soester Fehde 1444-49, der Bürgeraufruhr 1581/82 und die Truchsess'schen Religionswirren 1583 erwähnt; 1586 drangsalierten spanische Kriegsvölker die Stadt und auch der 7jährige Krieg brachte der Einwohnerschaft arge Bedrükungen. Nichts hiergegen jedoch und gegen das Elend der Pestjahre 1350, 1572, 1598 und namentlich 1625, sind die unbeschreiblichen Schrecknisse des 30jährigen Krieges, die untragbaren Lasten und Plünderungen, von denen sich die Stadt 250 Jahre hernach noch nicht ganz hat erholen können. Sind doch erst zu Anfang unseres Jahrhunderts die letzten Schulden aus dem 30jährigen Kriege zurückbezahlt worden. -

Trotz dieser Drangsale, zu denen noch die großen Brände der Jahre 1353, 1470, 1530, 1654, 1739 u. vom 15.10.1834 hinzutraten, ist das Stadtarchiv mit seinem überaus zahlreichen Urkunden - d. Aktenmaterial unversehrt erhalten geblieben, sodaß es eine unerschöpfliche Quelle bietet für die Erforschung d. Rüthener Familiengeschichte. -

Nur der politische Wechsel, der Rüthen mit dem Herzogtum Westfalen von 1803-16 an Hessen-Darmstadt brachte, hat einige Verluste zur Folge gehabt, indem eine Wagenladung Aktenstücke, insbesondere Gerichtsakten und Testamente, nach Darmstadt überführt wurde, die als unwiederbringlich verloren angesehen werden muss. -

In diesem genügend geschilderten historischen Rahmen des alten kleinen Landstädtchens erscheint nun erstmalig in den Kämmerei-Registern vom Jahre 1485 unter "gemeyne upbringe" der Bäcker Hans in der Helle, der kurz zuvor eingewandert sein muß, da früher der Name in dem reichhaltigen Akten- und Urkundenmaterial nicht vorkommt. Der Name, der unzweifelhaft von dem in Westfalen besonders häufigen Flurnamen herkommt, wie er auch heute noch in Dortmund, Arnsberg, Soest, Lippstadt, Lemgo und anderen Städten als Straßenname, auf dem Lande für Häusergruppen, Forsthäuser, Vorwerke, nicht grade selten ist, ist in Rüthen selbst nicht entstanden. Möglich, aber nicht zu beweisen ist die Einwanderung des Stammvaters von dem gleichnamigen Geschlecht in Dortmund, das dort von 1343 nachweisbar ist. Dort wurden Bürger 1343 Johannes in der Helle, 1365 Johannes in der Helle junior, 1351 Hannus in der Helle, 1357 Brunsten in der Helle, 1382 Johannes in der Helle sarrator, 1383 Johannes dictus Hellehannes pellifex, 1416 Hermann in der Helle, 1460 Telleman Helle (Rübel, Dortmunder Urk.-B. u. Rübel. Bürgerlisten der Stadt Dortmund 1411-1511, 1557-1803 in: Bd. 12 der "Beiträge zur Geschichte D. u. d. Grafschaft Mark."). 1567 erscheint unter den Siegelzeugen noch einmal ein Cordt in der Helle (Barich, die Dortmunder Morgensprachen, Bd. 27 der vorgenannten Ztschrift.), mit dem das Geschlecht aus Dortmund verschwindet. -

Von dem Stammvater Hans in der Helle hat sich das Geschlecht nun fast 450 Jahre hindurch in 15 Generationen fortgepflanzt, von denen aus den letzten beiden noch 9 Familien in Rüthen selbst wohnhaft sind, die sich auf 5 Sippen verteilen. Gekennzeichnet und unterschieden durch die in Westfalen so charakteristiscen Haus- u. Beinamen "gent. Auling, Boren, Droste, Jossel, Portemelcher". Durch alle Generationen hindurch hat sich auch der Bäckerberuf des Stammvaters bis zum heutigen Tage in den meist sehr kinderreichen Familien erhalten, neben dem allerdings durchweg Landwirtschaft, in den älteren Zeiten auch Brennerei u. Brauerei betrieben wurde. Sehr zahlreiche Angehörige haben als Bürger von Rüthen in der Verwaltung der Stadt als Ratsverwandte sich betätigt, wie aus der Stammtafel zu entnehmen ist. Infolge des ortsüblichen Kinderreichtums ist dem Geschlecht in dem kleinen, durch die Schrecknisse des 30jährigen Krieges so ungemein verarmten Landstädtchens ein sozialer Aufstieg sehr erschwert worden, umsomehr als die meisten, die zum akademischen Studium gelangten, katholische Theologen wurden und als solche für die gesellschaftliche Höherzüchtung der Familie ausschieden. So sind denn die meisten Vertreter des Geschlechts im Kleinbürgertum und Handwerkerstand verblieben, in welchem sie hauptsächlich als Bäcker, aber auch als Müller, Seiler, Schmiede, Schlosser, Maurer, Zimmerleute, Sattler, Schneider, Schuhmacher, Buchbinder, Metzger, Buchdrucker und anderen Berufen, sowie meist nebenbei der Landwirtschaft tätig sind und waren. Die meisten blieben der heimischen Scholle treu, übernahmen den elterlichen Besitz oder suchten durch Einheirat ein Häuschen zu erwerben. Die ersten vom Rüthener Stamm abgezweigten Aeste bildeten sich in Erwitte und Büren. Während ersterer schnell erlosch, hat sich der Bürener zu einem gewaltigen, weit verzweigten Hauptast entwickelt, der noch heute in Büren u. Umgebung, sowie in Upsprunge, Lippstadt, Neuhaus-Paderborn, Hagen, Essen, Duisburg-Ruhrort, Walsum, Köln, New Vienna, Iowa U.S.A. blüht. Als weitere vom Rüthener Stamm schon vor 100 Jahren abgezweigte Aeste seien hier noch der in Witten, Pressburg und Winona, Min. U.SA angeführt, von denen sich wieder zahlreiche Zweige entwickelten, die gleich den anderen aus der Stammtafel zu ersehen sind. -

Die fortschreitenden Forschungsarbeiten des Verfassers, die auch die anderen deutschen Familien Namens Helle berücksichtigt, von denen schon mehr oder weniger umfangreiche Stammtafeln aufgestellt sind, lassen erhoffen, daß später bei einigen von ihnen der Anschluß an den Rüthener Stamm gefunden wird. In allen Fällen wird dies nicht gelingen, oder nur durch Zufallsfunde aufgedeckt werden können, wenn die Abwanderung von Rüthen vor dem 30jährigen Kriege erfolgte. Schon hier seien einige Helle aufgezählt, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Rüthener Stamm gehören, obwohl der Beweis dafür noch nicht erbracht werden konnte. Zunächst Anton Helle, Schmied in Mosebolle, dann Drasenbeck, danach Blügelscheid bei Remblinghausen im Sauerland der in Blügelscheid (ohne Alters- oder Herkunftsangabe) am 19.9.1791 "plötzlich" starb. Sein Enkel war der Kgl. Magazinverwalter Clemens Helle in Mainz (geb Löllinghausen, Krs. Meschede 6.10.1798, gest. Mombach bei Mainz 4.4.1876), der aus 2 Ehen 11 Kinder hatte, von denen das jüngste und einzige aus der 2. der Kommerzienrat Franz Helle in Mainz (geb. Mainz 5.10.1854) dortselbst am 28.5.1930 verstorben ist. Stiefneffe des letztgenannten ist der Papiergroßhändler Nikolaus Helle in Saarbrücken, dessen Sohn Sebastian Helle (Inhaber des EK I) an einer im Kriege erworbenen Krankheit am 15.8.1931 in Saarbrücken verstarb. - Weiterhin wird ein früher Abzweig vom Rüthener Stamm vermutet bei den Helle in Menden, Halingen, Holzen (Krs. Iserlohn), die als Hofleute des Schwerte-Halingenschen Hofes schon um die Zeit des 30jährigen Krieges genannt werden, ferner bei den Helle in Graz, deren Stammvater, Tischlermeister Joseph Helle, um 1784 aus Deutschland dort zuwanderte, wo er um 1748 geboren ist (gest. Graz 2.1.1814 "66 Jahre").

Auch auf den "Bäcker Hanns Helle" sei in diesem Zusammenhange hingewiesen, der 1598 (ohne Herkunftsangabe) Bürger in Kassel wurde und einen Rüthener Vater oder Großvater gehabt haben kann. Dies ist garnicht so unwahrscheinlich, da bei manchen Namensträgern Helle außer ihrem Taufeintrag im Rüthener Kirchenbuch nichts über die späteren Lebensschicksale oder ihren Verbleib festgestellt werden konnte. Als frühester Namensträger auf westfälischem Boden muß hier noch Gottfried Helle angeführt werden, der am 19.6.1301 sein Landgut bei Grafschaft (im Sauerland) dem dortigen Kloster gegen lebenslänglichen Unterhalb vermacht (Seiberts, Urk.-B., Urk. Nr. 491 u. Seibertz, Quellen Bd. 3, S. 438). - Eine Familie "in der Helle" tritt auch schon früh in "Märkisch-Langenberg", dem jetzt durch den "Langenberger Sender" so bekannten Orte auf. 1511 ist hier genannt Drude in der Helle mit ihren Kindern als Wwe. des Johann in der Helle, 1518 u. 1527 Arndt in der Helle, 1566 Johann in der Hellen (Bender Geschichte der Herrschaft Hardenberg, 1879, S. 135, 115, 139, 117) u. 1680 Johann in der Hellen (Kraft, "Register oder Rhentenbuch des Hauses Hardenberg, anfangend Ao. 1680" in: "Bergisch-Jül. Gesch. Bl. 6 Jahrg., Heft 6 1929). Von diesen dürfte der Müllermeister Georg Helle in Langenberg-Wallmichrath abstammen (+ das. 2.12.1849), dessen Nachkommen in Essen-Kupferdreh wohnen. -

Wegen des nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs sind verwandtschaftliche Beziehungen des Stammvaters Hans in der Helle möglich zu Hennecke in der Hellen, der 1460 als Freifrone am Freistuhl zu Arnsberg genannt ist. (Seibertz, Urk.-Buch, Urk Nr 964)