Eine westfälische Bäckerfamilie mit 450jähriger Berufstradition.

Ein seltenes Jubiläum kann jetzt die Familie Helle in Rüthen i. W. begehen, in der das Bäckergewerbe seit nunmehr 450 Jahren, vom Vater auf den Sohn vererbt, nachweisbar ist. Die umfangreiche Stammtafel des Geschlechts, die in langjähriger Forscherarbeit von dem Facharzt Dr. Hans Helle in Bochum fertiggestellt wurde und kürzlich im Selbstverlag erschienen ist, war unlängst im Bochumer Heimatmuseum „Haus Rechen“ ausgestellt und fand uneingeschränkte, allseitige Bewunderung. In ihrem Format (1 Meter hoch und 16 Meter lang) ist sie die größte bisher erschienene deutsche Stammtafel. Von dem Stammvater Hans in der Hell an, der 1485 als Bäcker in Rüthen erscheint, wo er 1482-83 mit seinen erwachsenen Söhnen eingewandert sein muß, hat sich das Geschlecht 15 Generationen hindurch bis zum heutigen Tage fortgepflanzt und weit verbreitet. Neun Familien, unterschieden und gekennzeichnet durch die in Westfalen so charakteristischen Haus- und Beinamen „genannt Auling, Boren, Droste, Jossel, Portemelcher“, wohnen noch heute in der alten Vaterstadt Rüthen; viele andere sind weit zerstreut über ganz Deutschland, das benachbarte Ausland und Nord- wie Südamerika.

In den ältesten 7 Generationen gehören sämtliche männlichen Namensträger, mit Ausnahme eines Küsters und eines Schäfers, dem Bäckerhandwerk an. Der Bäcker und Ratsherr Jodocus in der Helle (1625-1702) in der 7. Generation hatte aus seinen beiden Ehen 18 Kinder, von denen 4 Söhne (Adrian, Jodocus Caspar, Matthäus und Johann Christoph ) wieder Bäcker wurden. Von Jodocus Caspar in der Helle gen. Kruse (1688-1728) erlernten die Söhne Johann Konrad Jodocus, Johann Diedrich und Anton den angestammten Bäckerberuf und von den Söhnen Johann Christoph in der Helle gen. Droste (1700-1768) waren es Caspar Joseph , Ignatz und Jodocus Wilhelm, die dem väterlichen Handwerk treu blieben. Während Jgnatz nach Erwitte zog, wo er selbst 1783 als Bäcker starb und über den späteren Verbleib seiner 7 Kinder nichts mehr ermittelt werden konnte, wurden Caspar Josephs Söhne Mathias Joseph in der Helle gen. Portemelcher und Wilhelm Joseph in der Helle gen. Bockheim wieder Bäcker in Rüthen. Auch von Jodocus Wilhelm in der Helle gen. Kruse (1740-1818) wurde der älteste Sohn, Johann Georg Wilhelm, Bäckermeister und Stadtkämmerer in der Vaterstadt. Wir kommen jetzt zur 11. Generation, in der wir Engelbert Helle gen. Hellers (1783-1855), Fritz Helle gen. Vollmer (1786-1840) und Joseph Helle gen. Jossel (1790-1842), drei Brüder, als selbständige Bäcker in Rüthen antreffen. Zur selben Generation gehören ferner Friedrich Joseph Helle gen. Portemelcher (1799-1871), Caspar Joseph Helle (1790-1827) und Friedrich Joseph Helle gen. Kruse (1795-1864), die ebenfalls in der Vaterstadt den angestammten Bäckerberuf ausübten.

In der 12. Generation finden wir (als Söhne von Engelbert) den 1831 als Bäckerlehrling früh verstorbenen Anton Joseph , Fritz Helle gen. Hellers (1822-1860) und den Konditor Engelbert, der 1877 in Münster starb. Ferner (als Sohn von Fritz gen. Vollmer) Henrich Anton gen. Vollmer (1814-52) und (als Söhne von Joseph gen. Jossel) den Bäckermeister und Rendanten Joseph Helle in Schmallenberg (gest. daselbst 1864), den Bäckermeister und Brauer Anton Helle gen. Jossel (1823-98), der die Rüthener Bierbrauerei Helle begründete, sowie den Bäcker Fritz Helle, der 1876 in Rüthen unverheiratet starb. Zur selben Generation gehören ferner (als Söhne von Friedrich gen. Portemelcher) die Rüthener Bäcker Melchior Helle gen. Portemelcher (1831-98) und Peter Helle gen. Droste (1835-1905). Auch das jüngste und 10. Kind des Friedrich Joseph Helle gen. Kruse, Ewald, wurde Bäcker und gründete in Annen eine Familie, wo er 1884 früh verstorben ist.

In der 13. Generation sind nur noch 2 Bäcker anzutreffen: Bäckermeister Joseph Helle in Neheim (Ruhr), der in Rüthen 1873 geboren wurde, und Bäckermeister Fritz Helle gen. Droste (geb. 1877), der in Rüthen dem Berufe der Vorfahren nachgeht.

In der 14. Generation sind von den Söhnen der beiden vorgenannten im Bäckerberufe tätig Joseph Helle (geb. 1906) als junger Bäckermeister und Konditor im väterlichen Betriebe in Neheim (Ruhr) und Anton Helle (geb. 1907) als Geselle in der Bäckerei seines Vaters in Rüthen. Zur 14. Generation gehört noch Erich Helle, der als Konditorgeselle am 21.5.1905 in Barmen jung verstarb, sowie eine außergewöhnlich zahlreiche Menge jugendlicher Namensträger Helle in noch schulpflichtigem Alter, von denen noch mancher das Gewerbe ergreifen dürfte, das durch 450jährige Tradition für das Geschlecht in vielen seiner Familien eine unabweisbare Selbstverständlichkeit war.

Dasselbe gilt von der 15. Generation, aus deren rasch anwachsender Kinderzahl bereits die ersten ins Berufsleben eintreten.

Wenn auch mit der zunehmenden Ausbreitung des Geschlechts in den letzten Generationen naturgemäß auch andere Gewerbe und Berufe mehr und mehr Berücksichtigung fanden, so daß fast sämtliche Handwerkszweige auf der Stammtafel vertreten sind, nimmt nach der Berufsstatistik unter den Handwerkern das Bäckergewerbe mit 40 Prozent bei den Namensträgern Helle eine so überragende Stellung ein, daß man von einem „Bäckergeschlecht Helle“ zu reden berechtigt ist. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß fast in allen Generationen auch Töchter Helle sich mit Bäckermeistern verehelichten, worauf hier zum Schluß noch hingewiesen sei.

aus: Weckruf. Westfälische Bäcker- und Konditoren-Zeitung. Bochum. Nr. 20 vom 15. Mai 1932. S. 349f